Pressemitteilung

Deutsche Bank öffnet Zahlungsverkehr für die Plattform

Team TIS
Team TIS

Konzern arbeitet mit Fintech TIS an Betrugsprävention, Cash-flow-Prognosen, automatisierten Schnittstellen und nutzungsbasierten Finanzierungen. Veröffentlicht in der Börsen-Zeitung, von Bernd Neubacher, Frankfurt

Die Deutsche Bank öffnet sich im Zahlungsverkehr dem Plattform-Banking. Mit dem Fintech TIS will sie ab Juli Informationen zur Betrugsprävention vernetzen. Weitere Optionen sind Produkte zur Cash-flow-Prognose von Unternehmen sowie zur Verbesserung automatisierter Schnittstellen und Echtzeitzahlungen.

Die Deutsche Bank macht sich mit ihrem Kooperationspartner Treasury Intelligence Solutions (TIS) daran, die Idee des Plattform-Bankings auf den Zahlungsverkehr zu übertragen, wie Ole Matthiessen, Leiter globales Cash Management der Deutschen Bank, und Jörg Wiemer, Chief Strategy Officer und Co-Gründer von TIS, der Börsen-Zeitung erklären. Mit diesem offenen Ansatz beschreitet Deutschlands größtes Kreditinstitut einen anderen Weg als etwa J.P. Morgan, die sich ihren Kunden gegenüber mit ihren Treasury-Dienstleistungen als Alleinanbieter positioniert. Dies dürfte auch mit den Größenverhältnissen zusammenhängen: Die US-Großbank investiert nach eigenen Angaben pro Jahr 11 Mrd. Dollar in Technologie, also das Elffache des Vorsteuergewinns 2020 des Frankfurter Instituts.

Strategischer Schwenk

Zugleich orientiert sich der kleinere der beiden Wettbewerber mit seiner Strategie am langfristigen Trend zum Plattform-Banking. Diese Öffnung der Unternehmensbank ist ein strategischer Schwenk im Vergleich zu früheren Jahren. Die Ertragspotenziale sind dabei, zumindest theoretisch, unbegrenzt – wie die Gefahr des Verlusts von Kunden. ,,Wir sind selbstbewusst genug, einen Multi-Banking-Ansatz zu wählen‘‘, erklärt Matthiessen. ,,Unsere Kunden integrieren angesichts ihrer Gegenparteirisiken meist sowieso mehrere Banken.‘‘

Schon bei Bekanntgabe ihrer Kooperation Mitte März warteten Deutsche Bank und TIS mit einem ersten Produkt ihrer Zusammenarbeit auf: einer Software zur Betrugsprävention im Zahlungsverkehr auf Basis historischer Zahlungsdaten von Unternehmenskunden. Die Idee: Teilen viele Unternehmen anonymisiert ihre Informationen über Erfahrungen etwa mit Zulieferern, entsteht ein weitaus genaueres Bild der Gefahrenlage, als wenn jede Gesellschaft auf eigene Faust versucht, Risiken auf die Spur zu kommen, und zudem senken alle Beteiligten ihre individuellen Kosten. Dabei setzen beide nicht nur, wie alle Plattform-Anbieter, auf Schwarmintelligenz, nutzergenerierte Inhalte sowie Netz- und Größeneffekte, sondern wollen auch mit eigenen Pfunden wuchern.

Die Bank bringt ihre Expertise in Sachen Betrugsprävention und Zahlungsverkehr ein, TIS wiederum technisches Know-how und eine ansehnliche Kundenliste. Der Walldorfer, 200 Kunden zählende Anbieter einer Multi-Tenant-Cloud-Architektur für den Zahlungsverkehr schließt Unternehmen und deren Enterprise-Resource-Planning-Systeme an Banken an, schreibt sich mit Blick auf den Dax einen Marktanteil von knapp 30% zu, ist seit drei Jahren auch in den USA aktiv und wächst eigenen Angaben zufolge um jährlich 30% bis 40 %, ohne freilich Details seiner Ergebnisrechnung offenlegen zu wollen.

Ein Schatz an Daten

Die breite Markteinführung der Software ist ab Mitte Juli in drei Varianten mit gestaffelten Provisionssätzen geplant: einer Basisversion, die vor allem nutzergenerierte Informationen bereitstellt, etwa dazu, ob eine Bankverbindung tatsächlich zu einem bestimmten Lieferanten gehört, einer zweiten Variante, die Unternehmen Zugriff auf Expertise der Deutschen Bank ermöglicht, sowie einer dritten Version, die sich künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen bedienen soll. Der Deutschen Bank als einem der größten Clearer im Euro-Zahlungsverkehr weltweit wird niemand absprechen können, dass sie über einen wahren Schatz an Daten verfügt. Angesichts in die Jahre gekommener Kernbankensysteme dürfte es eher eine Herausforderung sein, Daten, die sie da analysiert, zuvor gescheit aufzubereiten. Dass der Vertrieb leiden könnte, weil die Finanzaufsicht jüngst das Mandat des 2018 eingesetzten Geldwäschebeauftragten erweitert hat und Kunden daher die Expertise der Bank in Sachen Betrugsprävention in Frage stellen könnten, glaubt Matthiessen nicht: ,,Bei der Kooperation mit TIS geht es um neue Lösungen zur Betrugsprävention auf Seiten unserer Kunden. Die Kooperation mit TIS und die Produkte, die wir mit TIS in diesem Bereich für unsere Kunden entwickeln, sind unabhängig von dem Dialog, den wir mit der BaFin führen.‘‘

Der Gedanke von Daten-Pools für die Betrugsprävention greift allerorten um sich und mündet vor allem in branchenweiten Initiativen. So teilen skandinavische Banken auf der Plattform Nordic Financial Cert bereits ihre Informationen zu Strohmännern im Geldwäschegeschäft, sogenannten Money Mules. Versuche, den Austausch paneuropäisch zu organisieren, laufen auf Hochtouren, etwa bei der European Banking Association (EBA) und dem European Payment Council (EPC) (vgl. BZ vom 7. Januar). Auch haben sich deutsche Großbanken bereits auf Standards für einen Datenpool zur Geldwäscheprävention geeinigt. Könnten Deutsche Bank und TIS als private Anbieter mit Blick auf Betrugsprävention den First-Mover-Vorteil nutzen und ihr System etablieren, wäre dies für beide Gesellschaften ein großer Erfolg. Schließlich gilt in der Welt der Plattformen: The winner takes it all. Matthiessen äußert sich in dieser Frage eher diplomatisch: ,,Indem die Nutzer ihre Daten anonymisiert teilen, schaffen wir für den Kunden Mehrwert. Diesen Ansatz wollen wir vermarkten und weiterentwickeln. Auf ein entsprechendes Angebot auf supranationaler Ebene mit Lösungen für den Endkunden zu warten, wäre wohl noch ein weiter Weg.‘‘ Zum Preismodell schweigen sich Deutsche Bank und TIS ebenso aus wie in der Frage der Ertragsverteilung. Matthiessen spricht von Lizenzgebühren, die in beide Richtungen fließen können, und betont den strategischen Aspekt: ,,Bei der Kundenschnittstelle ist heute nicht mehr nur der Vertriebskanal entscheidend, sondern immer stärker die technische Integration. Für uns ist es wichtig, diese Kundenschnittstelle zu besetzen, um weiter relevant zu bleiben. Dabei können und wollen wir nicht alles selbst machen, sondern setzen auch auf externe Expertise.‘‘

Dass sich die Deutsche Bank bei allem Multi-Banking-Ansatz neben Lizenzgebühren ebenso vermehrte Kundenbindung und Mehrgeschäft verspricht, liegt auf der Hand. Ist ein Unternehmen erst einmal an die Plattform von Deutscher Bank und TIS angeschlossen, liegt es nahe, die Systeme des blauen Konzerns ebenso zu nutzen, wenn es etwa um automatisierte Währungsabsicherung geht. Matthiessen: ,,Wir haben einen impliziten Vorteil, wenn Dienstleistungen über die Deutsche Bank laufen und vertikal bei TIS integriert sind, und es nutzt uns, wenn dies besonders einfach funktioniert. Falls dies über eine Drittbank geht, scheuen wir auch nicht davor zurück, dies ebenfalls Kunden anzubieten.‘‘ Für den Manager ist auch denkbar, dass die Bank ihre Dienste indirekt über Drittbanken vermarktet: ,,Wir können uns auch vorstellen, als Dienstleister für andere aufzutreten, ohne dass unser Name fällt. Die Leistung der Deutschen Bank darf aber nicht nur in der Auslieferung bestehen. Wichtig ist uns, Innovationstreiber zu sein.‘‘

APIs sollen besser werden

Nach Entwicklung des Produkts zur Betrugsprävention werkeln beide Seiten an weiteren Angeboten. Eine Option ist ein Produkt zur Cash-flow-Prognose, bei dessen Entwicklung sich die Kooperationspartner womöglich die strategische Zusammenarbeit der Deutschen Bank mit Google zunutze machen könnten. ,,Sie können nur steuern, was Sie sehen‘‘, erläutert TIS-Manager Wiemer die Situation von Treasurern in Unternehmen. ,,Da liefern wir die Plattform, den Datentopf und die Insights.‘‘ Ein weiteres Angebot, über das beide Seiten nachdenken und das sie in den nächsten Monaten auf den Markt bringen könnten, soll die Einbindung automatisierter Schnittstellen (API) verbessern. ,,Eine Zahlung über eine Schnittstelle muss nicht nur ankommen, auch die Buchhaltung muss darüber zeitgleich ins Bild gesetzt werden. Heute sind immer noch Kontoauszüge auf Tagesbasis Standard. Man will aber nicht heute zahlen und möglicherweise erst morgen feststellen müssen, dass ein Lieferant eine Zahlung nicht erhalten hat und daher nicht liefern wird.‘‘

Ein weiteres Feld, auf dem sich Deutsche Bank und TIS umtun, sind Echtzeitzahlungen. Durch raschen Kontenausgleich samt Kontakt zur Buchhaltung hätten sie es etwa einem Kunden ermöglicht, dass Konsumenten in Indien real time bezahlte Pre-Paid-Telefonkarten nach Verlassen des Geschäfts auch sofort nutzen konnten und nicht erst 60 Minuten später wie im Falle ihrer Wettbewerber. Asset-as-a-Service, also nutzungsbasierte Finanzierungen, sind zudem ein Thema. Auf den massiven Trend, dass Kunden und Industrie ihr Geschäft anders betrieben als früher, müsse man sich einstellen, sagt Matthiessen, der sich das weitere Vorgehen allerdings offenhalten will, um je nach Kundenresonanz die Prioritäten neu auszurichten. Anders als beim Kooperationspartner Traxpay, dem Betreiber einer Plattform für Lieferkettenfinanzierung, an welchem die Bank sich im vergangenen Jahr beteiligte, steht Matthiessen zufolge ein Einstieg bei TIS fürs Erste nicht an: ,,Grundsätzlich schließen wir keine Form der Zusammenarbeit aus. Ob eine Partnerschaft auf Basis einzelner Anwendungsfälle oder in Form einer Beteiligung die beste ist, das wird die Zeit zeigen. Derzeit ist eine Beteiligung aber nicht geplant.‘‘

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